Einzelhandel: In manchen Städten ist das Ladensterben drastisch

Es gab auf Ihre Initiative hin eine Anhörung im NRW Landtag mit dem Titel „Handel braucht Heimat – vitale Innenstädte für die Zukunft des Einzelhandels in NRW erhalten“. Was sind die zentralen Punkte?

Es geht grundsätzlich darum, wie wir es schaffen können, unsere Innenstädte lebendig zu halten. Dazu haben wir am 13. Dezember im NRW-Landtag Experten befragt. Wir haben es mit einem massiven Strukturwandel zu tun, der den Handel trifft, aber auch die Städte betrifft. Es gibt drei Hauptursachen: Der erste große Rückschlag waren die zu zahlreichen Genehmigungen für Supermärkte auf der grünen Wiese, das hat den Städten Frequenz entzogen. Der zweite war die unglaubliche Ausweitung von Einkaufszentren in deutschen Städten, es wurde einfach zu viel Handelsfläche geschaffen, weit mehr als wir brauchen. Und der dritte Punkt ist natürlich der Online-Handel, der mit seinen ungeheuren Möglichkeiten das Kundenverhalten massiv verändert hat. Es gibt online totale Warenverfügbarkeit, 24 Stunden, sieben Tage in der Woche. Die Kunden sind dadurch anspruchsvoller geworden. Teilweise kann der stationäre Handel da nicht mehr mithalten.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Vieles können wir beeinflussen, wir dürfen nicht einfach nur zuschauen, sondern müssen die Zukunft mitgestalten. Wir sollten zum Beispiel mit Augenmaß vorgehen, wenn wir außerhalb der Städte noch Flächen genehmigen. Dafür haben wir auf Landesebene und in den Städten Einzelhandelskonzepte, die wir an die neue Zeit anpassen müssen. Die Städte müssen reagieren, indem sie die Flächenexpansion kontrollieren.

Große Supermärkte sollen verstärkt in die Innenstädte zurückgeholt werden?

Richtig, Supermärkte sind Frequenzbringer, davon profitieren auch die anderen Geschäfte. Mein Wunsch ist, dass man, etwa in Form eines runden Tisches, mit den Konzernen darüber spricht, inwiefern sie in bestehende Ladenlokale in die Innenstädte zurückkommen können. Diesen Prozess sollten wir fördern und möglich machen. Ein Beispiel: Hier zu uns nach Rodenkirchen ist ein Aldi auf 500 Quadratmetern gekommen, der sich größter Beliebtheit der Menschen, die im Ort wohnen, erfreut. Dadurch wird nebenher die Einkaufsstraße belebt.

Was kann man sonst gegen Leerstände tun?

Es gibt ganz unterschiedliche Entwicklungen, das Ladensterben hat nicht überall das gleiche Tempo. In manchen Städten in NRW sind die Leerstände schon drastisch. Wir brauchen Ideen dazu, was man aus den Leerständen machen kann. Wir müssen hier neu denken, uns einen neuen Besatz ausdenken. Es können Handwerker sein, Galerien, Dienstleister, Start- ups oder Zwischenvermietungen für Showrooms oder Pop-up-Stores. Man kann die Immobilien aber natürlich auch in Wohnflächen umwandeln. Das ist eine Möglichkeit, die das Baurecht schaffen muss.

Wer könnte das alles organisieren?

Potenzielle Mieter und Vermieter kommen oft nicht zusammen auf dem Markt, Makler haben meist nur Interesse an langfristigen Vermietungen. Im Sinne eines City-Managements müsste die Wirtschaftsförderung einer jeden Stadt deshalb eine aktivere Rolle spielen und gezielt nach einem neuen Besatz Ausschau halten. So etwas muss in einer Stadt Chefsache sein. Es muss in die Wirtschaftsförderung investiert werden, damit der sogenannte Trading- Down-Effekt einer Stadt gestoppt wird. Denn durch die Leestände leiden das Image der Stadt aber auch der Wert der Immobilien gewaltig. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass sich alle Akteure besser vernetzen und zusammenarbeiten müssen. In einer so großen Stadt wie Köln braucht man für jeden Stadtbezirk einen eigenen Citymanager.

Sie sind Inhaber mehrerer Textilgeschäfte. Wie kann der stationäre Handel von der Digitalisierung profitieren?

Digitalisierung ist auch für den stationären Handel eine große Chance. Wir brauchen Digitalcoaches, die den Geschäften helfen, sich zu vernetzen oder gemeinsame Social-Media- Konzepte zu entwerfen. Wer sich richtig vernetzt, kann seinen Kunden einiges anbieten. Man kann sein Sortiment digital verlängern, also Waren schnell nachbestellen, die gerade nicht vorrätig sind. Damit arbeiten wir in unseren Geschäften ganz stark und erfolgreich. Wir können viel mehr Ware anbieten als wir im Laden haben. „Mobile Payment“ ist zudem ein großer Trend, Zahlung mit dem Handy. Auch das sorgt für Kundenzufriedenheit. Darauf zentriert sich alles, der Kunde muss bei uns ungefähr genauso glücklich sein wie bei Amazon. Deshalb muss ich auch bei Retouren viel kulanter sein als früher. Der Onlinehandel hat, wie gesagt, dafür gesorgt, dass sich das Kundenverhalten stark verändert hat. Die Ansprüche, die der Onlinehandel erfüllt, müssen wir auch erfüllen. Grundsätzlich ist es aufgrund höherer Reichweiten und besserer Skalierung sinnvoll, wenn eine Stadt oder ein Veedel online zusammenarbeitet als jeder nur einzeln für sich.

Womit kann der stationäre Handel punkten?

In einem Laden hat der Kunde soziale Kontakte und ein Kauferlebnis, die der Online-Shop nicht bieten kann. Events und Veranstaltungen werden deshalb immer wichtiger, um die Kundenzufriedenheit zu steigern und die Kunden zu binden. Ein Händler kann seine Events selbst organisieren oder, was ich für zielführender halten, es in Werbe- und Interessengemeinschaften gemeinsam mit anderen machen. Wie in Rodenkirchen, wo wir vor ein paar Jahren noch zwei Veranstaltungen im Jahr hatten und inzwischen bei acht sind. Ein weiteres Thema ist das Ladenschlussgesetz. Die Onlineshops sind rund um die Uhr geöffnet und machen gerade sonntags große Umsätze, genauso wie übrigens der grenznahe Outlet-Store in Roermond in den Niederlanden. Wir müssen nicht jeden Sonntag öffnen, achtmal im Jahr sollte es aber möglich sein. Deshalb sollten wir auf europäischer Ebene schauen, wie es gelingen kann, den Rechtsrahmen und die Öffnungszeiten für den stationären und den Online-Handel in Einklang zu bringen.

Was halten Sie von autofreien Stadtzentren?

Wir haben aus Studien gelernt, dass die Menschen in autofreien Kern-Innenstädten durchaus glücklicher sind, da die Aufenthaltsqualität besser ist, womit sich die Aufenthaltsdauer erhöht. Und das ist gut für die Geschäfte. Wir müssen aber mit Augenmaß vorgehen und Alternativen schaffen, also Parkhäuser, Park-and-Ride-Plätze, in Köln zum Beispiel an den äußeren Ringen. Meine Wunschvorstellung ist, dass die Leute in Köln eines Tages in kleinen Shuttle-Bussen in hoher Frequenz zu den Geschäften in der Innenstadt gefahren werden. Wir haben noch einiges zu tun, wir müssen besser werden und moderne Mobilität anbieten, auf keinen Fall dürfen wir die Autofahrer verprellen.

Wie geht es nach der Anhörung weiter?

Wir werden eine Empfehlung erarbeiten, sie im neuen Jahr ins Plenum tragen und dort verabschieden. Ziel ist es, den Städten eine Art Instrumentenkasten der besten Ideen anbieten. Es gibt außerdem bereits Förderprogramme vom Land, die grundsätzlich gut beurteilt werden. Die Forderung der Experten war aber ganz klar, die Programm zu entbürokratisieren. Die Eigenanteile für die Kommunen müssen geringer werden, die ganzen Verfahren etwas schlanker und leichter.

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