WM in Katar – Boykott oder Wandel durch Annäherung?

Was steht im neuen Jahr an, das gerade begonnen hat? Zwei Termine stechen ins Auge: Das wichtigste Datum für mich ist der 15. Mai 2022, der Tag der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, an dem ich mein Direktmandat verteidigen will. Das zweite Datum ist der 22. November, der Eröffnungstag der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, die bis zum 18. Dezember dauert. Zwar ist es ungewohnt, dass im Winter gespielt wird, es erscheint mir jedoch vernünftig, dass man die ursprünglichen Pläne geändert hat und vom dort brüllend heißen Sommer auf die kältere Jahreszeit ausgewichen ist, in der im Wüstenemirat immer noch mehr als 20 Grad gemessen werden.

Die größeren Probleme, über die seit der Vergabe des Turniers an Katar im Jahr 2010 diskutiert werden, sind dagegen nicht gelöst. Im Emirat, einer Erbmonarchie, in dem die islamische Scharia Hauptquelle der Gesetzgebung ist, wurden und werden tausende Arbeitsmigranten aus ärmeren Ländern wie Nepal oder Bangladesch, die größtenteils auf WM-Baustellen schuften, entrechtet und geknechtet. Sie müssen ihre Pässe abgeben, dürfen die Arbeitsstellen nicht ohne offizielle Zustimmung wechseln und finden lebensgefährliche Arbeitsbedingungen vor. Laut Amnesty International hat es in Katar seit 2010 circa 15.000 Todesfälle von ausländischen Arbeitern gegeben. Unfälle auf den Baustellen, Tod durch Hitze, da die Ruhezeiten zu kurz sind – die Umstände der Todesfälle müssten geklärt und die Angehörigen entschädigt werden, fordert die Menschenrechtsorganisation. 

Es ist viel darüber diskutiert worden, ob man in einem solchen Land ein fröhliches, internationales Fußball-Fest veranstalten sollte. Sollte diese WM nicht boykottiert werden, um ein Zeichen für die Menschenrechte zu setzen? Oder ist es besser dort hinzugehen, sodass der Fokus auf die Missstände gerichtet wird? Besteht die Chance auf Wandel durch Annäherung? 

Eine Aktion pro Boykott hat der norwegische Verein Tromsö IL hat im vergangenen Jahr ins Leben gerufen; die Hauptargumente: Fußball werde sträflich missbraucht, um die Verletzung von Menschenrechten zu kaschieren. „Wir müssen es wagen, uns zu fragen: Ist es in Ordnung, dass jemand stirbt, damit mein Team erfolgreich ist?“, heißt es auf der Homepage der Initiative. Der Erstligist vertrat die Position schon vor dem Herbst, als Norwegen noch eine Chance auf die WM-Qualifikation hatte, die inzwischen nicht mehr besteht. 

Man kann es aber auch so sehen: Für einen Boykott ist es zu spät, sollten sich qualifizierte Länder wie Deutschland jetzt noch von dem Turnier zurückziehen, so würden sie vor allem ihre Nationalspieler bestrafen und sie um die in manchen Fällen einmalige Chance in ihren Fußballerleben bringen, bei einer WM zu spielen. Auch den Arbeitsmigranten in Katar würde es mehr schaden als helfen. Amnesty International hat sich deshalb gegen den Boykott ausgesprochen und setzt auf Aufdeckung und Sichtbarmachung der Missstände. Es gebe in Katar Fortschritte, teilte eine Sprecherin unlängst mit. Ein Boykott würde dazu beitragen, sie wieder rückgängig zu machen. Amnesty fordert zudem vom Weltverband Fifa, „der menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden. Das bedeutet, die Fifa muss die mit dem Turnier verbundenen Menschenrechtsrisiken erkennen, verhindern, mindern und beheben.“ Sicher ist: Das Thema wird uns das ganze Jahr 2022 über noch begleiten. 

WIE IST EURE MEINUNG?

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert