No-Covid-Strategie: Warum es nicht die richtige Lösung ist

Kölns OB Henriette Reker hat für Aufsehen gesorgt, da sie in der Corona-Pandemie eine sogenannte No-Covid-Strategie favorisiert. Sie setzt auf Abschottung und hält unter anderem eine Sieben-Tage-Tage-Inzidenz von weniger als zehn für erstrebenswert. Erst wenn dieser Wert erreicht sei, könne gelockert werden, meint sie. Das ist meines Erachtens ein falscher Ansatz. 

Hier sind vier Gründe, warum Reker auf das falsche Pferd setzt:

Realitätsfern: In Simulationsmodellen am Computer mag die No-Covid-Strategie aufgehen, nicht aber im wirklichen Leben. Selbst durch Isolation ließe sich eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter zehn in einem Land in der Mitte Europas nicht erreichen. Denn Viren halten sich nicht an Modellrechnungen, sie verbreiten sich über alle Grenzen hinweg. Wir brauchen keine theoretischen, sondern pragmatische Lösungen. Ansätze, wie sie der Epidemiologe Klaus Stöhr, früherer Leiter des globalen Influenza-Programms der WHO, liefert. Er hat zusammen mit einer Gruppe anderer Wissenschaftler lebensnahe Strategien für den Weg aus der Pandemie erarbeitet. Es gibt demnach Licht am Horizont. „Die Pandemie wird enden, wenn die meisten Menschen immun geworden sind. Die meisten sicher durch eine Infektion, weil der Impfstoff gar nicht ausreichen wird für alle in der Welt. Wenn alle immun sind, werden die Reinfektionen mit dem Corona-Virus sehr mild verlaufen“, sagt Stöhr. In Deutschland sei Anfang 2022 damit zu rechnen, dann werde aus der Pandemie eine Endemie. Das Virus zirkuliere weiter auf niedrigem Niveau, in milderer, also wenig gefährlicher Form. 

Schädlich für die Gesellschaft: Anstatt über völlige Abschottung nachzudenken, müssen wir uns damit befassen, wie wir den Lockdown schnellstmöglich beenden können. Die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Schäden, die er angerichtet hat, sind bereits immens. Sie reichen von Firmenpleiten, Vereinsamung und Depressionen bis hin zu Suiziden und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. All dies würde durch die No-Covid-Strategie mit ihren illusorischen Zielen noch verstärkt. Die Menschen brauchen Perspektiven, deshalb müssen wir verantwortungsvolle Öffnungspläne entwickeln und dabei moderne Mittel einsetzen. Wie zum Beispiel Apps zur digitalen Kontaktverfolgung verpflichtend machen, die Infektionsketten effektiv nachverfolgen.

Gegen die Grundrechte: No Covid passt nicht in die demokratische und offene Gesellschaft, in der wir leben. Es muss unser Ziel sein, die durch die Pandemie begründeten Grundrechtseinschränkungen so bald wie möglich zurückzunehmen, anstatt Gründe zu finden, den Lockdown zu verlängern. Grundrechte müssen gerade auch in Krisenzeiten gelten, denn das unterscheidet unsere freie Gesellschaft von einem autoritären Regime wie China, das seine Bürger einfach wegsperrt und diszipliniert. Es ist gut, dass NRW-Vizeministerpräsident Joachim Stamp letzteren Punkt in einem Beitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ betont hat. Der frühere Leiter des SZ-Innenresorts Heribert Prantl hat mehrfach zurecht darauf hingewiesen, dass Demokratie in pandemischen Zeiten nicht zu einer „Virolokratie“ werden dürfe. Corona dürfe nicht unsere demokratische Substanz infizieren. Hierzu passt die berühmte These Benjamin Franklins, der sagte: „Wer wesentliche Freiheit aufgibt, um ein wenig vorübergehende Sicherheit zu kaufen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“

Schädlich für das Vertrauen: Wir können die Pandemie nicht nur an Inzidenzen messen und dabei ständig neue Grenzwerte in die Welt setzen, darauf hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zurecht hingewiesen. Es ist nicht nur frustrierend, sondern auch schädlich für das Vertrauen in die Politik. Wir brauchen vielmehr einen transparenten Exit-Plan, in den nicht nur Inzidenzen einfließen, sondern auch andere Parameter, zum Beispiel: Risiko- und Altersgruppen spezifische Inzidenzen, der R-Wert in seinem Trend, Impfquoten, Krankenhausbelegungen und Belastungen der Intensivstationen. Die Menschen brauchen eine positive Agenda, keine No-Covid-Abschottung. 

Kurz: Henriette Reker liegt falsch, die Pandemiebekämpfung und der Infektionsschutz sind auch nicht Sache der Städte, sondern Hoheitsrecht der Bundesländer.

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